Schatzkarten und eine Lobby für den Boden
Bild: Michał Grosicki on Unsplash
Die Ausdehnung der Siedlungsflächen rund um die Städte und Dörfer frisst täglich wertvolles Kulturland, sogenannte Fruchtfolgeflächen. An den begehrtesten Standorten für Neubauten finden sich Böden, die sehr fruchtbar sind und viele wichtige Ausgleichsfunktionen haben. Wie kann es gelingen die Interessen gegeneinander abzuwägen und nachhaltige Entscheide zu fällen?
Text: Susan Glättli, ecotext
Der Schatz unter der Oberfläche: Böden. Böden haben ihre Qualität über Jahrhunderte entwickelt, sie sind ein Abbild des lokalen Klimas, der Muttergesteine und der Bewirtschaftungsart durch den
Menschen – Naturerbe und Kulturerbe. Besonders bedrängt sind ausgerechnet die fruchtbarsten unter ihnen.
Verlust von Kulturland
«Insgesamt sind in der Schweiz in 24 Jahren 85'000 Hektaren Kulturland verlorengegangen. Dabei werden überwiegend die qualitativ wertvollsten Böden verbraucht, welche wichtige Ökosystemleistungen
für den Menschen bereitstellen. Obwohl in der Schweiz ein umfangreiches raumplanerisches Instrumentarium vorhanden ist, werden Boden und seine Leistungen noch ungenügend in die
Entscheidungsfindung miteinbezogen.» erklärte Adrienne Grêt-Regamey, Professorin am Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung der ETH Zürich an der Nachhaltigkeitstagung vom 18. Januar 2017 in Reckenholz. Sie zeigte auf, dass bei
Interessenabwägungsprozessen in der Raumplanung Informationen hilfreich sein dürften, welche die Ökosystemdienstleistungen von Böden ausweisen. So könnten Entscheidungsträger in Gemeinden und
Kantonen ein vertieftes Verständnis für die Trade-Offs zwischen Schutz und Nutzung der Böden entwickeln.
Karten und Bodeninformationen in der Raumplanung
Im Rahmen des NFP68 arbeiteten verschiedene Forschungsgruppen an Karten, welche aufzeigen, welche Qualitäten
bzw. Funktionen die Böden in drei ausgewählten Regionen aufweisen. «Böden leisten wichtige Dienste, indem sie beispielsweise nach starken Niederschlägen Wasser speichern oder Wasser filtern und
klären. Räumliche Informationen über Bodeneigenschaften liegen allerdings nur für rund 30 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen in der Schweiz vor.», beschreibt die Projektwebseite die
Ausgangslage. Es bleibt also viel Arbeit, um flächendeckend Karten bereitzustellen. Eine weitere Herausforderung erwartet die Bodenfachleute: Um die Bodeninformationen in der Raumplanung
anwendbar zu machen, müssten (neben einer nationalen Kartierung) die verschiedenen Informationen zu den Funktionen und deren Ausprägung im Idealfall auf einen Wert verdichtet werden. Ein Wert,
der es erlaubt verschiedenen Möglichkeiten oder Standorte gegeneinander abzuwägen oder einen Verbrauch zu kompensieren.
Praxistaugliche Instrumente
Die Komplexität so zu reduzieren und damit Tools den Entscheidungsträgern zugänglich zu machen schaffte die Stadt Stuttgart mit dem BOKS: «Seit März 2006 ist das BOKS durch Beschluss des Gemeinderats verbindlicher Bestandteil der Stuttgarter Bauleitplanung. Die
Akzeptanz hierzu war aus folgenden Gründen gross: Die Strukturen des BOKS sind praktisch und die Methoden einfach. Außerdem ermöglicht das Monitoring im BOKS eine objektive Kontrolle und Analyse
der Bodeninanspruchnahme. Mittelfristig soll mit dem BOKS der Neuverbrauch naturnaher Böden eingefroren und der Bedarf an Nutzflächen im Innenbereich gedeckt werden.» Das BOKS ist nur eines von
verschiedenen Instrumenten, das von der Stiftung sanu durabilitas zuhanden der Politik auf seine Wirkung und Eignung geprüft wurde. Eine Übersicht dazu gibt das Magazin Nr. 2 «Wie
sich der Bodenverbrauch stoppen lässt» der Stiftung.
Fehlende Finanzierung und Lobby
Am 30. Januar 2018 hat eine vom UVEK eingesetzte Expertengruppe einen Entwurf vorgelegt, wie der Sachplan Fruchtfolgeflächen weiterzuentwickeln sei. Diese Entscheidung unterstützt
den Bodenschutz, auch wenn Wald- und Weideböden sowie nicht-bewirtschaftete Flächen nicht davon profitieren. Etwas weiter gefasst ist der parlamentarische Vorstoss von Adèle Thorens-Goumaz vom 07.12.2017 «Wann ergreift der Bundesrat Massnahmen zugunsten der
Qualität des Bodens?». Dieser fordert insbesondere die Einrichtung eines Kompetenzzentrums Boden und die Integration von Bodenqualitätsaspekten in die Raumplanung. Doch was aktuell fehlt, sind
finanzielle Mittel für die Umsetzung. Und eine Lobby für den Boden.